OXYMEL: UR-MEDIZIN AUS HONIG & ESSIG


MEDIKAMENT & PFLANZENSIRUP

Oxymel ist ein medizinischer Sirup aus Honig und Essig. Seit 2500 Jahren in der Weltmedizin als

eigene Arzneiform verankert, ist Oxymel eines der wichtigsten und interessantesten Medikamente

der Geschichte. Der Name Oxymel leitet sich aus den griechischen Begriffen sauer (oxy = sauer,

ors = Essig) und Honig (meli) ab und bedeutet Sauerhonig oder saurer Sirup. Bereits die einfache

Mischung von Honig und Essig ist pharmakologisch wirksam und trägt die Bezeichnung Oxymel

simplex (einfaches Oxymel). Pflanzliche Extrakte in Oxymel werden als zusammengesetztes Oxy-

mel (Oxymel compositum) bezeichnet. Verabreicht wurde Oxymel wegen seiner eigenen pharma-

kologischen Wirkung, aber auch als Begleiter, Transportmittel und zur Geschmacksverbesserung anderer Arzneimittel.

SÜSS & SAUER

"Oxymel wird mit drei Teilen Honig zu einem Teil Essig zubereitet', gibt der griechische Arzt Galen als wichtigstes Verhältnis für Oxymel vor, das noch heute aktuell ist. Oxymel wurde sowohl in Sirupform als auch als Trank mit Wasser vermischt. Bereits in der Antike unterschied man zwischen süßen und sauren Formen der Arznei, wobei die süßen Oxymel-Variaten in der Medizin mehrheitlich verwendet wurden. Bei Indikationen wie Fieber oder Verdauungsstörungen wurde der Essiganteil erhöht und die therapeutischen Effekte dadurch intensiviert.

ROH & GEKOCHT

Heute wird Oxymel überwiegend kalt zubereitet, um die hitzesensiblen Stoffe im Honig zu erhalten. Die Mehrheit der Oxymel-Arzneien wurde allerdings in der Medizin durch Kochen hergestellt. Diese Tatsache bereitet nicht nur Imkern Kopfzerbrechen, da heute von einem Verlust der Wirkstoffe in Honig ausgegangen wird. Dennoch attestiert die Geschichte den gekochten Oxymel-Arten eine große Wirkkraft und dies war auch ein Grund, in diesem Buch ihre Wirkungsmechanismen genauer zu erläutern. Fakt ist, sowohl rohe als auch abgekochte Oxymel-Präparate besitzen eine nachgewiesene Heilkraft, auch wenn sie zum Teil über unterschiedliche Wirkstoffmechanismen verfügen. Mehr darüber siehe Kapitel "Oxymel roh und gekocht".

EXTRAKTIONEN IN OXYMEL

Oxymel wurde nicht nur eine bessere Wirkung, sondern auch eine höhere Extraktionskraft für Pflanzenwirkstoffe als Honig und Essig allein attestiert. Aus diesem Grund wurde Oxymel als

eigene Arzneiform angeführt und die Pharmazie grenzt bis heute Extrakte in Oxymel von jenen in

Essig oder Honig ab. Nur in seltenen Ausnahmefällen, wie etwa beim Meerzwiebel-Oxymel, wur-

den potenziell toxische Stoffe zuerst in Essig ausgekocht, um diese Stoffe zu neutralisieren.

Kraueresig mit Honig ist daher nicht mit Kräuter-Oxymel gleichzusetzen, wie es in den letzten

Jahren vermehrt praktiziert wird. Diese Methode ist vor allem dann kritisch zu hinterfragen, wenn

sie als altüberliefertes Wissen vermittelt wird, denn sie weicht von der historischen Wahrheit ab und

ist in der gut dokumentierten Medizingeschichte des Oxymels in dieser Form kaum zu finden.

ARZNEIFORMEN & DOSIERUNG

Als Arzneiform zeichnet Oxymel eine große Vielseitigkeit aus. Es wurde eingenom-

men oder auch als Mittel zum Gurgeln, als Auflage, Pflaster, Salbe oder Zäpfchen verwen-

det. Die Angaben zur Herstellung, Darreichung, Dosierung und Dauer der Anwendung von

Oxymel sind von der Antike bis in die Neuzeit relativ vage. Die Einnahme von Oxymel ist trotz-

dem sicher, da Honig und Essig Lebensmittel sind und eine große Toleranzschwelle als moderne

Tintkuren auf Alkoholbasis haben. Bei der Berücksichtigung der empfohlenen Dosierung

sind keine Nebenwirkungen zu erwarten. Je nach Erkrankung und Jahreszeit wird Oxymel kalt oder

warm eingenommen. Oxymel kann sowohl pur, als auch mit Flüssigkeiten verdünnt eingenommen werden.

BREITBANDMITTEL & ALLHEILMITTEL

Die Heilkraft von Oxymel ist legendär und entspricht der eines Breitbandmittels. Oxymel scheint

jede Erkrankung zu besiegen, denn "in Honig und Essig ist eine Kraft, die aus ihrer Vermischung

entsteht, so groß, wie sie in keinem von diesen beiden allein besteht ...", erklärt das Arzneibuch

ANTIDOTARIUM MESUE (16. Jhdt.) das Geheimnis des Oxymels. Tatsächlich attestiert die Medizinge-

schichte dem Sauerhonig sagenhafte Kräfte. So beantwortete der Arzt eines ägyptischen Herrschers

die Frage ", Wie viele Anwendungen gibt es für Oxymel?" mit nicht weniger als 88 therapeutischen

Indikationen, von Fieber und Schwäche bis hin zu Verdauungsbeschwerden und Depression. Tausen-

de Medikamente mit Oxymel sind weltweit dokumentiert, allein 1200 therapeutische Oxymel-Vari-

anten katalogisierten Wissenschaftler im Persien des Mittelalters und belegten die lebendige Kraft

des Oxymels, mit der nahezu alle Erkrankungen behandelt werden können.

OXYMEL & SEKANJABIN

Möglicherweise ist der Ursprung des Wortes "Oxymel" im griechischen oralmê zu finden, einer

Salzsole mit Essig, die bis heute in der Medizin bei Wunden, Infektionen und Tierbissen angewendet

wird. In der römischen Zeit trägt Oxymel die Bezeichnung mel acetatum oder acetum mulsum, ab-

geleitet aus dem lateinischen acètum (Essig). Ähnliche Namen wie Acétomellé finden sich bis heute

in der französischen Pharmazie. Die arabische Medizin bezeichnete mit sekanjabin einfache Oxy-

mel-Arten aus Honig und Essig und mit squingibin Heilpflanzen-Oxymele. Aus der Zeit des Mittel-

alters sind Abwandlungen wie ozzimeli oder orymelite überliefert, In der Klostermedizin erscheint

Oxymel auch ohne eine spezifische Bezeichnung als Präparat aus Honig und Essig, Eingebettet ist

Oxymel in der langen Tradition der Honigmedizin.

Wir geben Oxymel den Patienten als Medikament, nicht als Nahrungsmittel.

Galen von Pergamon, Arzt und Pharmakologe

*Das große Buch von Oymel.